Heinrich Hoerle: Der schonungslose Chronist der Weimarer Republik Heinrich Hoerle (1895-1936) war für mich der Künstler, der mit unbestechlichem Blick die Realität der Weimarer Republik festhielt. Als wichtiger Vertreter des Neuen Realismus und der "Kölner Progressiven" schuf er Werke, die eine scharfe und oft schonungslose Bestandsaufnahme der sozialen und politischen Verhältnisse seiner Zeit sind. Hoerle, der als Autodidakt begann, schloss sich früh avantgardistischen Kreisen an. Er wählte bewusst eine figurative Darstellung, um seine Botschaften klar und direkt zu vermitteln, anstatt sich der Abstraktion zuzuwenden. Seine Gemälde und Zeichnungen zeichnen sich durch eine präzise, fast schon klinische Darstellung von Figuren und Szenen aus. Er reduzierte seine Motive auf das Wesentliche und nutzte eine gedämpfte Farbpalette, um eine nüchterne, manchmal beklemmende Atmosphäre zu schaffen. Oft stellte er einsame, isolierte Individuen dar, die in einer anonymen, technisierten Welt gefangen sind: Arbeiter, Angestellte, Prostituierte und Kranke – Menschen am Rande der Gesellschaft. Ein zentrales Thema in Hoerles Werk war die Kritik an der Industrialisierung und ihren Auswirkungen auf den Menschen sowie die Anprangerung sozialer Ungerechtigkeiten. Er analysierte die Typisierung des modernen Menschen in der Masse und die Entfremdung im Berufs- und Stadtleben. Wie viele avantgardistische Künstler seiner Zeit wurde auch Heinrich Hoerle von den Nationalsozialisten als "entartet" diffamiert. Seine Werke wurden aus Museen entfernt und ausgestellt, um sie zu verspotten. Hoerle selbst starb 1936 an Tuberkulose. Heute wird er als einer der bedeutendsten realistischen Künstler der Weimarer Republik geschätzt, dessen Werk ein eindringliches Zeugnis einer turbulenten Epoche ablegt.